Besonders beeindruckend, ja fast mystisch ist der Besuch in der spärlich beleuchteten Kirche am Vormittag, wenn der Gesang eines Knabenchores durch das Kirchengewölbe schallt. Auβerhalb der Ferienzeiten gibt der Chor des angeschlossenen Jungeninternats täglich um elf Uhr ein kleines Konzert. Anschließend lohnt sich ein Spaziergang vom schönen Kreuzgang aus auf dem Camí dels Misterís hinauf zum Kalvarienberg, von wo aus sich ein traumhafter Blick über die Berglandschaft bietet.
Alljährlich machen sich Tausende von Wallfahrern und Wanderern am ersten Augustwochenende in der Nacht von Samstag auf Sonntag von Palma aus auf den 48 Kilometer langen Fuβmarsch hinauf in die Berge der Sierra de Tramuntana zum Heiligtum der Santa María von Lluc. Gestartet wird in der Calle Aragón in Palma in der Nähe der einstigen Bar Güell gegen 23 Uhr. Schon Stunden vorher füllen sich die umliegenden Straßen. Die Motive der Teilnehmer sind genauso vielfältig wie sie selbst. Während es für die einen ein alljährliches Ereignis ist mit hohem Unterhaltungswert ist, kommen andere aus sportlichen Motiven. Wieder andere genieβen das besondere Ambiente dieser Wanderung durch die nächtliche Natur Mallorcas. Und viele sind aus religiösen Gründen dabei, lösen ein Versprechen gegenüber ihrer Schutzpatronin ein oder erbitten auf diese Weise ihren Segen.
Folkloregruppen spielen auf und die Menschen stehen auf den Balkonen der umliegenden Häuser oder schauen aus ihren Fenstern auf die Wanderer hinab. Die Wallfahrt hat bereits eine lange Geschichte, bestand sie bereits seit dem 14. Jahrhundert. Der Weg führt heutzutage zunächst auf ebener Strecke nach Marratxi, zu dessen Gemeinde mehrere kleine Siedlungen gehören. Aus Marratxi kommen die berühmten Siurells, die typischen Tongefässe aus Keramik. In Santa María gibt es den ersten Stopp mit Wasser, Erfrischungen und Früchten. 15 Kilometer sind hier bereits geschafft. An den östlichen Ausläufern des Tramuntana-Gebirges geht es nun durch die fruchtbare Landschaft der Region Es Raiguer bis zum kleinen Weinort Consell, um nach 22 Kilometern Binissalem zu erreichen, den Hauptort des mallorquinischen Weinanbaus.
Über Biniamar führt der Weg nach Selva, wo es wiederum Erfrischungen, Kaffee, Milch und Früchte zur Stärkung gibt. Mittlerweile ist man inmitten der Berglandschaft des Tramuntanagebirges angekommen, was insbesondere bei Caimari zu spüren ist. Hier hat man bereits 36 Kilometer zurückgelegt und es gibt eine weitere Stärkung, ehe es in der Dämmerung die Serpentinen hinauf geht - entlang der Terrassenlandschaft mit zahlreichen Oliven- und Mandelbäumen.
Zweifelsohne ist dies der anstrengendste, aber auch schönste Teil der Wanderung, erwartet die Wallfahrer doch der Sonnenaufgang über der Sierra, der nach vielen Stunden nicht nur den neuen Tag, sondern vor allem auch das nahe Ziel des Weges ankündigt - das Kloster Lluc, wo die Schutzpatronin mit Blumen reich beschenkt wird.